Die medizinische Fakultät der alten Universität Mainz
0.1.Anfangsjahre und Geldprobleme
Die medizinische Fakultät war zur Gründung der kurfürstlichen Universität die kleinste der vier Fakultäten. Ihr wurde nur eine Lektoralpräbende zugeteilt, die des St. Stephans-Stift in Mainz. Die kleine Fakultät bewohnte zusammen mit einem Teil der philosophischen Fakultät die Burse Zum Schenkenberg. Der Unterricht für die angehenden Mediziner war in Theorie und Praxis unterteilt. Theorie behandelte die Schriften bekannter Ärzte und Philosophen wie Hippokrates, Galen, Rufus, Celsus und andere. Die praktische Ausbildung fand außerhalb der Universität in den Spitälern und Praxen der Stadt Mainz statt. Die Studenten beobachteten praktizierende Ärzte bei der Arbeit und hatten, wenn ihr Studium weit genug fortgeschritten war, selbst anzupacken. Der größte Teil des Lehrpersonals der medizinischen Fakultät waren praktizierende Ärzte, Professoren der Medizin waren als Leibärzte für Adelige und geistliche Landesherren sehr gefragt.
Bald zeigte sich jedoch, dass eine einzelne Lektoralpräbende nicht ausreichte, um die Fakultät zu finanzieren, zumal die Zahl der Professoren im Laufe der Zeit anstieg, ohne dass die Förderung erhöht wurde. Im 17. Jahrhundert waren fast durchgehend zwei Professoren für Medizin an der Universität tätig später manchmal auch drei. Die finanzielle Ausstattung der Fakultät wurde aber nicht verbessert, im Gegenteil, das St. Stephans-Stift hatte sich 1534 vertraglich mit der medizinischen Fakultät auf eine jährliche Zahlung von 40 Gulden geeinigt, doch allein zwischen 1630 und 1698 verweigerte das Stift jegliche Zahlungen. Dies führte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Niedergang der medizinischen Fakultät. Die Lehrstellen waren nicht mehr durchgehend besetzt und die Dozenten vernachlässigten den Unterricht, da sie sich lieber als Ärzte betätigten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Produktion wissenschaftlicher Schriften ging in dieser Zeit stark zurück.
0.2.Reformen
Erst mit einer ersten erfolgreichen Reform 1746/47 gelang es Erzbischof Ostein, der medizinischen Fakultät neuen Aufschwung zu geben. Die Statuten wurden eine Revision unterzogen und neu verfasst, die praktische Ausbildung in die Hörsäle der Universität verlegt und neue Institutionen für die Mediziner geschaffen, etwa ein anatomischen Kabinett, einen botanischen Garten und ein Krankenhaus für klinischen Unterricht. Anstatt in der Stadt den Ärzten bei der Arbeit zuzusehen, kamen die Patienten für ihre Behandlung zur Universität. Zugleich lag die medizinische Fakultät im Streit mit den Spitälern der Stadt. Üblicherweise belieferten diese die Universität mit Leichen kürzlich verstorbener, die dann als Teil des Anatomie-Unterrichts seziert wurden. Jedoch kamen die Spitäler dieser Aufgabe oft nicht nach und verweigerten die Herausgabe der Leichen, vermutlich auch um ihre eigenen Unzulänglichkeiten bei Behandlung der Patienten zu verbergen.
1773 gab es weitere Vorschläge, die medizinische Fakultät zu reformieren, diese wurden jedoch nicht umgesetzt. Die finanzielle Situation war weiterhin prekär, oft überstiegen die Ausgaben die Einnahmen. Dies änderte sich erst mit der großen Reform von 1784, bei der alle Fakultäten eine signifikante Vergrößerung ihrer Förderung verbuchen konnten. Dies machte es möglich, die Studenten auf Studienreisen nach Norddeutschland, England, Italien, Österreich und Holland zu schicken, um die dortigen medizinischen Praktiken zu studieren. Außerdem wurde eine Entbindungsstation, das Accouchement gegründet. Diese Einrichtung diente als Hebammenschule, sowohl für die Studenten der medizinischen Fakultät, als auch für alle Hebammen im Umkreis der Stadt. Nach Gründung der Entbindungsanstalt wurde ein Erlass verkündet, dass sich alle Schwangeren innerhalb der Stadt und im nächsten Umkreis bei der Anstalt zu melden hatten, um dort versorgt zu werden. Auch ging eine Aufforderung an alle im Umkreis lebenden Hebammen, sich hier ausbilden zu lassen, selbst wenn sie bereits praktizierten. Damit sollte eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit zuverlässig ausgebildeten und kompetenten Hebammen gewährleistet werden. Auch vom Land wurden Hebammen einberufen, aber nur in dem Maße, in dem es nötig erachtet wurde, um auch die Landbevölkerung mit Hebammen zu versorgen. Eintrittsbedingungen waren allein die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben. Die Anstalt erfreute sich auch in der Bevölkerung große Beliebtheit, da sie als sicherer Ort für die Entbindung mit kompetentem medizinischem Personal galt.
0.3.Collegium medicum und Ende der Fakultät
1784 kam es auch zu einem Plan, ein collegium medicum zu gründen, welches das Gesundheitswesen der Stadt überwachen sollte. Zuvor gehörte die medizinische Fakultät zur sogenannten Medizinische Polizei. Sie erstellte auf Anfrage des Hofrates Gutachten zur medizinischen Versorgung der Stadt, zum Zustand der Spitäler und Apotheken sowie eventuelle Gefahrenherde. Die medizinische Fakultät hatte dadurch eine weitere kleine Einnahmequelle gesichert, die nun wegzubrechen drohte. Stattdessen wurde den Professoren der Fakultät der Antrag übergeben, dass sie sich ehrenamtlich im collegium medicum engagierten. Dies führte zum Protest der Fakultät gegen die neue Institution. Schließlich kam das Projekt nie über die Planungsphase hinaus, nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen der medizinischen Fakultät und dem Hofrat sowie zwischen den Zuständigen für das Projekt bereitete der Einmarsch der französischen Armee 1792 dem Vorhaben ein endgültiges Ende.Die medizinische Fakultät existierte auch nach dem Eingehen der Universität noch für mehrere Jahre. Nachdem die anderen Fakultäten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts den Unterricht eingestellt hatten oder nach Aschaffenburg geflohen waren, blieb der Großteil der medizinischen Fakultät in Mainz und. Bis 1817 gelang es ihnen, den Unterricht aufrecht zu erhalten und gar noch mehrere Promotionen durchzuführen, bis schließlich mangelnde Unterstützung und Studenten auch den letzten aktiven Zweig der Mainzer Fakultäten eingehen ließ. Die Entbindungsstation überlebte das Ende der Universität und blieb bis zur Eröffnung der Johannes Gutenberg-Universität bestehen. Danach ging sie in die Entbindungsklinik der Universitätsklinik ein.
Nachweise
Literatur:
Brück, Anton: Um die Reform der Mainzer juristischen und medizinischen Fakultäten im 18. Jahrhundert. In: Die Alte Mainzer Universität. Gedenkschrift anlässlich der Wiedereröffnung der Universität in Mainz als Johannes-Gutenberg-Universität. Mainz 1946.
Diepgen, Paul: Die alte Mainzer medizinische Fakultät und die Wissenschaft ihrer Zeit. In: Medizin im alten Mainz. Hrsg. von W. F. Kümmel u.a. Hildesheim 1977.
Just, Leo; Mathy, Helmut: Die Universität Mainz. Grundzüge ihrer Geschichte. Mainz 1965.
Mathy, Helmut: Die Gründung des Mainzer Accouchements unter Johann Peter Weidmann im Jahre 1784. In: Medizin im alten Mainz. Hrsg. von W. F. Kümmel u.a. Hildesheim 1977.
Terhalle, Hermann: Christoph Ludwig Hoffmanns Plan für ein „Collegium medicum“ im Mainzer Kurstaat. In: Medizin im alten Mainz. Hrsg. von W. F. Kümmel u.a. Hildesheim 1977.
Red. Bearb. Juliane Märker 20.08.2012