Die Statuten der alten kurfürstlichen Universität Mainz

Universitätsmadonna

Während oder auch kurz nach der Gründung einer Universität wurden die Statuten festgelegt, welche unter anderem Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Regeln für die Studenten und Dozenten festlegten. Statuten variierten von Universität zu Universität. Bei den Gründungen der ältesten europäischen Universitäten wie Bologna und Paris wurden die Privilegien, etwa zu Selbstverwaltung der Universität, hart erkämpft und gegen den Widerstand der Landesherren eingeführt. Später, wie auch zur Zeit der Mainzer Universitätsgründung, waren der Erhalt der Privilegien und ihr festhalten in eigens formulierten Statuten die Norm und ein selbstverständlicher Schritt in der Entstehung der neuen Bildungsinstitutionen. 1477, im Gründungsjahr der Mainzer Universität, gab es nur einige provisorische Statuten, welche hauptsächlich die in der päpstlichen Bulle festgelegten Privilegien umfassten sowie grundlegende Richtlinien für die zukünftige Arbeit der Universität festlegten. Üblicherweise wurden die offiziellen Statuten ein bis zwei Jahre nach der Gründung eingeführt, im Falle von Mainz jedoch dauerte es bis 1784, bevor die Statuten zusammengetragen wurden. Der Verfasser ist heute unbekannt, anscheinend wurden die einzelnen Punkte mit der Zeit gesammelt und formuliert.
Die ersten drei Paragraphen beschäftigen sich mit den Hilfsmitteln fürs akademische Leben und den Rechtsgeschäften. Dazu gehören Regeln zur Aufbewahrung und Verwendung von Statutenbuch, Konklusionenbuch und Universitätstruhe. Die Universitätstruhe war dabei ein traditionelles Instrumentarium der mittelalterlichen Universität. In ihr wurden unter anderem die wichtigsten Dokumente und die Universitätskasse aufbewahrt. Zu ihr gibt es detaillierte Bestimmungen, etwa wo sie unterzubringen ist –im Falle von Main wurde dazu eine Kirche bestimmt- und wie viele Schlösser, hier fünf, und Schlüssel es geben soll.
Anschließend widmen sich zehn Paragraphen der Position des Rektors, dem Leiter der Universität. Solange man an der Mainzer Universität studiert hatte, konnte jeder Rektor werden, ob einfacher Bürger, Geistlicher oder Adliger, einzige feste Voraussetzungen waren Immatrikulation an der Universität, erfolgreicher Studienabschluss und ein guter Ruf. Die Wahl unterlag einem komplizierten Verfahren. Jede Fakultät nominierte einen Wahlmann, diese vier Wahlmänner wiederum wählten je eine Person aus ihrer Fakultät sowie einen beliebigen Studenten, welche mit ihnen ein Neunergremium bildeten. In diesem Gremium fand dann eine Losung statt, bei der drei Personen ermittelt wurden, die in einer Konklave zusammen den Rektor bestimmten. Lehnte der Kandidat die Position ab, musste er 10 Gulden Strafe zahlen. Ein ähnliches Wahlsystem war kurz zuvor auch an der Trierer Universität eingeführt worden und war vermutlich das Modell für diese Bestimmungen. Der Rektor wurde am 1. Oktober, kurz vor Beginn des neuen Semesters gewählt, seine Amtszeit betrug ein Jahr, und in dieser Zeit war es ihm nicht erlaubt, die Universität zu verlassen. Die Aufgaben des Rektors waren vielseitig: Er immatrikulierte neue Studenten, indem er sie in die Marikelbücher eintrug und ihnen die Eide abnahm, die sie zur Befolgung der Statuten und zu Gehorsam verpflichtete. Der Rektor rief Vollversammlung der Universität und der verschiedenen Konzile ein und leitete diese. Er verfügte die oberste Straf- und Disziplinargewalt über alle Universitätsmitglieder und präsidierte über das Universitätsgericht. Die Hälfte der Einnahmen der Universität wurden ihm zur Verfügung gestellt, um die Universität zu verwalten und instand zu halten. Am Ende seiner Amtszeit musste der Rektor dafür Rechenschaft ablegen.
Dem Rektor zur Seite gestellt war ein Gremium von vier Assessoren, je einer aus jeder Fakultät, die ihm als Berater zur Seite standen. Sie wurden im gleichen Verfahren gewählt und hatten ihr Amt ebenfalls ein Jahr lang inne. Ihre Aufgaben wurden nicht genau definiert, sie sollten den Rektor unterstützen, waren aber auch ein mögliches Kontrollorgan, dass seine Handlungen überwachen konnte.
Eine wichtige Rolle spielte das große Universitätskonzil. Es entschied über die Besetzung der Lehrstühle, wobei das offizielle Kriterium die Qualifikation war. In Realität wurde der Entscheidungsprozess von verschiedenen Faktoren beeinflusst, den Beziehungen der Kandidaten, den Wünschen der Stiftskirchen, die die Lehrstühle finanzierten und bei der Besetzung mitbestimmen wollten, oder das politische Klima. Das Konzil war für die Verwaltung der Universitätsgüter und -personal zuständig sowie der regelmäßigen Deklaration der Statuten. Außerdem besaß das Konzil die Befugnis, die Statuten bei Bedarf zu ändern, was im Laufe der Zeit in mehreren Reformversuchen auch geschehen ist. Mitglieder des großen Universitätskonzils waren je vier Dozenten aus den drei höheren Fakultäten sowie Dekan und acht Magister der Artistenfakultät. Es mussten mindestens fünf Jahre seit der Promotion vergangen sein, um sich für die Rolle zu qualifizieren. Entscheidungen innerhalb des Konzils fanden per Einzelvotum statt. Es gab daneben noch ein kleines Universitätskonzil, welches aus dem Rektor, den vier Dekanen und vier Assessoren bestand. Sie wurde vom als Gerichtsinstanz Rektor einberufen, um hauptsächlich über Bagatellfälle zu richten.
Eine weitere wichtige Position, die zumindest dem Namen nach noch in vielen Universitäten existiert, ist das Amt des Pedells. Diese Person fungierte als Notar, führte Gerichtsakten und setzte für den Universitätsbetrieb nötig Dokumente und Verträge auf. Auch er konnte die Konzile zusammenrufen, wenn er es für nötig erachtete und nahm an ihnen teil. Er war Zeremonienmeister, führte das Konklusionenbuch, in welchem alle Beschlüsse der Konzile festgehalten wurden, und organisierte öffentliche Auftritte der Universität. Das Amt war fest besoldet und wurde auf Lebenszeit vergeben.
Auch öffentliche Veranstaltungen wurden in den Statuten festgelegt. Am Mittwoch vor Pfingsten sowie am 1. Oktober fanden die Universitätsmessen statt, Teilnahme war für alle Universitätsmitglieder obligatorisch. Sie dienten als Gedenkmessen für die Gründer und Förderer der Universität, es wurden Lobreden auf die Fakultäten, Stifter und Wohltäter gehalten. Beim Tod von Mitgliedern des Lehrkörpers wurden ebenfalls Gedenkfeiern veranstaltet, an dem die gesamte Universität teilnahm, starb ein Student, fand dies im kleineren Rahmen innerhalb der Fakultät des Verstorbenen statt. Die Artistenfakultät veranstaltete jährlich eine öffentliche Disputation, bei welcher mehrere Magister der Philosophie Fragen des Publikums beantworteten, meist unter großzügiger Verwendung von Spott und Sarkasmus. Anwesenheit war für alle Universitätsmitglieder Pflicht Diese Tradition endete im 16. Jahrhundert in Mainz.
Im letzten Drittel der Statuten werden mögliche Vergehen und deren Strafmaß für die Studenten festgelegt. Für Studenten galten strenge Verhaltensregeln, sie hatten sich an ihre Kleiderordnung zu halten, keinen Lärm und keine Gelage in der Burse oder außerhalb zu veranstalten, und durften keine Tanzlokale oder Wirtsstuben besuchen. Auch die Bestechung von Dozenten für zusätzliche Privilegien war verboten. Es war üblich, dass Studenten zu verschiedenen Gelegenheiten den Dozenten Geschenke überreichten, in den Statuten wurde jedoch der erlaubte Wert dieser Geschenke beschränkt. Das Waffentragen war verboten, ebenso Streit zwischen Studenten bzw. zwischen Studenten und anderen Universitätsmitgliedern. Die Bursenleiter hatten als Vorbilder zu fungieren, mussten selbst ein tadelloses Benehmen an den Tag legen und waren ihren eigenen Regeln unterworfen.
Die Statuten wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrmals verändert, die erste Revision wurde bereits 1487 von Erzbischof Henneberg angeordnet. Auch 1545 unter Erzbischof Albrecht von Brandenburg ist eine Revision der Generalstatuten nachgewiesen, wobei sich die Veränderungen meist auf geänderte Formulierungen  und andere Kleinigkeiten beschränkten.

Nachweise

Literatur:

Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Die ältesten Statuten der Universität Mainz. Wiesbaden 1977.

Steiner, Jürgen: Die Artistenfakultät der Universität Mainz 1477-1562. Stuttgart 1988.

 

Red. Bearb. Juliane Märker 20.08.2012

 
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